Ypsomed: Ecodesign in der Medizintechnik

«Ipso» heisst selbst, «med» steht für MedikationDas Medizintechnikunternehmen Ypsomed aus Burgdorf entwickelt und fertigt Injektions- und Infusionssysteme für die Selbstmedikation. Die Produkte helfen weltweit rund acht Millionen Patientinnen und Patienten – viele mit Diabetes mellitus – ihre Therapie einfacher und sicherer zu gestalten und ihre Lebensqualität zu verbessernDie Kunststoffteile stellt Ypsomed im Spritzgussverfahren her. Da es sich grösstenteils um Einwegprodukte handelt, entstehviel Abfall, bestätigt Entwicklungsingenieurin Nadine Kaufmann: «Aus diesem Grund wollten wir herausfinden, wie wir den ökologischen Fussabdruck unserer Produkte verbessern können.»  

Motiviert zu mehr Nachhaltigkeit 

Ypsomed ist Teil der Science Based Target Initiative und hat das Thema Nachhaltigkeit in ihrer Firmenstrategie verankert: Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen halbiert werden und bis 2040 strebt das Unternehmen Netto-Null entlang der gesamten Wertschöpfungskette an. Unter anderem liefern Photovoltaikanlagen erneuerbare Energie.  

Kaufmann und ihre Kolleg:innen betraten Neuland, erinnert sich Kaufmann: «So richtig kannte sich niemand mit Themen wie Ecodesign und Life-Cycle-Thinking aus. Schnell war klar, dass wir Unterstützung von aussen benötigen würdenBei unserer Recherche sind wir auf Reffnet gestossen und haben beschlossen, eine Beratung in Anspruch zu nehmen.» 

Der Austausch mit dem Reffnet-Experten Dr. Rainer ZüstGeschäftsführer bei Züst Engineering und ehemaliger ETH-Professor, erfolgte aufgrund der Pandemie ausschliesslich online. «Mit seiner unterhaltsamen Art hat uns Rainer mit einer Schulung an das Thema herangeführt. Wir lernten unter anderem, was Umweltbelastungspunkte sind und wie man erste einfache Ökobilanzabschätzungen durchführt», denkt Kaufmann zurück. 

Im Anschluss analysierte Züst zwei Ypsomed-Produkte – einen Autoinjektor in Stiftform, mit dem Medikamente einfach und sicher gespritzt werden können, und einen Patch-Injektor zum AufklebenWie viel Kunststoff wird benötigt? Wie hoch ist der Energiebedarf der Produktionsanlagen? Wie sieht die Verpackung aus? Welche Transportwege fallen von der Produktion über die Befüllung bis zum Kauf in der Apotheke anZüst führte eine erste Ökobilanzierung durch: «Zu Beginn ist eine detaillierte Berechnung nicht notwendig. Beim Material setzten wir beispielsweise Polycarbonat ein, obwohl der Autoinjektor eigentlich aus acht verschiedenen Kunststoffen besteht», erklärt Züst das pragmatische Vorgehen. 

Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff 

Die Analyse zeigte, dass die Kunststoffherstellung sowohl die Umweltbelastungspunkte als auch die CO2-Emissionen stark beeinflusst. Dazu Kaufmann: «Wir machten uns auf die Suche nach einem ökologischeren Kunststoff – dank der Entwicklung der letzten Jahre bieten viele Hersteller inzwischen nachhaltige Alternativen an». Diese sind chemisch identisch mit den herkömmlichen Produktenbasieren jedoch auf weniger fossilen Ausgangsstoffen. Anstatt aus Erdöl kann der Kunststoff z.B. aus altem Frittieröl oder Abfallprodukten aus der Zelluloseherstellung gefertigt werden. Der Ersatz des Kunststoffs spart bei der Produktion des Autoinjektors beachtliche 40% der CO2-Emissionen ein. Mit weiteren Designverbesserungen sollen sogar bis zu 70% möglich sein, blickt Kaufmann in die Zukunft.  

Und was ist mit Recyclingkunststoffen? «Leider für uns momentan keine Option, da wir strenge Hygienevorschriften haben und zertifizierte Materialien verwenden. Noch erfüllt Recyclingkunststoff diese Bedingungen nicht, dies dürfte sich aber künftig ändern – insbesondere durch das chemische Recycling», ist Kaufmann überzeugt. Bei der Verpackung verwendet Ypsomed bereits Recyclingkunststoff. 

Der wertvolle Blick von aussen 

Als Ypsomed eine detaillierte Ökobilanzierung durchführen liess, zeigte sich, dass Züsts grobe Berechnung sehr gut gestimmt hatte. Inzwischen erstellt das Entwicklungsteam von Ypsomed mit einer neu angeschafften Software selbst Ökobilanzierungen und die Nachhaltigkeitsverantwortlichen haben eineEcodesign-Leitfaden entwickelt«Wir arbeiten an Mehrwegprodukten»erläutert Kaufmann, «mit besser trennbaren Materialienum zumindest den nicht-sterilen Teil wiederzuverwendenUnsere neusten Injektoren enthalten Elektronik, die unbedingt dem Recycling zugeführt werden soll.» Der erste CO2-neutrale Autoinjektor soll bald auf den Markt kommen und die Waren werden neu auf wiederverwendbaren Holzpaletten statt Einweg-Kunststoffpaletten ausgeliefert. 

Was würde Kaufmann anderen Unternehmen raten für mehr Nachhaltigkeit? «Zu Beginn ist die professionelle Sicht von aussen – wie Reffnet sie anbietet – eine grosse Hilfe. Später kommt man nicht umhin, sich umfassend mit der Thematik auseinanderzusetzen – die Schulung hat bei uns auf jeden Fall den Stein ins Rollen gebracht.» 

Bildnachweise: Ypsomed 

Reduktion der Umweltbelastung 
 2.76 Mrd. UBP 
 
40% CO2eq (Produkt: Autoinjektor)